Diskurs documenta – Kunstforum

ANLEITUNG UND ERLÄUTERUNG DER INHALTE

(Die Ergebnisse unserer Analysen wurden hier mithilfe der Präsentationssoftware Prezi aufbereitet. Sie können einfach dem vorher festgelegten Verlauf folgen, indem Sie auf den Rechts-Pfeil klicken. Sie können aber auch selbst mit dem Mauszeiger die Prezi bewegen und hinein- oder herauszoomen.)

„Nein, einen offiziellen Katalog gibt es dieses Mal nicht. Aber wenn Sie der Hintergrund der documenta 14 interessiert, kann ich Ihnen den Reader empfehlen. Und dazu ergänzend werden im daybook alle Künstler vorgestellt, allerdings nur mit ausgewählten Kunstwerken.“

So und ähnlich wurde vielen Besuchern auf die Frage nach einem offiziellen Katalog zur documenta 14 geantwortet. Ganz dem Prinzip Adam Szymczyks folgend, dass es auf der d14 um AnEducation – also das Verlernen – gehen soll, wurde vonseiten der documenta gGmbH kein Katalog veröffentlicht, der jedes Kunstwerk samt Erklärung beinhaltet hätte. Die Besucher sollten sich selbst ein Bild des jeweiligen Ausstellungsstückes, der Performance, des Projekts machen können und nicht nur vorgegebene Interpretationen übernehmen müssen. Die Reaktionen auf diese Antwort waren nur vereinzelt von erwachendem Interesse am Konzept des künstlerischen Leiters aus Polen geprägt. Sehr viel öfter waren es Enttäuschung, und nicht selten auch Ärger und Verwirrung,[1] die dadurch hervorgerufen wurden.

Diese Ausgabe des KUNSTFORUMS, der sich selbst als „traditionell“ (Seite 2 der Ausgabe) bezeichnet, wurde zu einer Art Katalog-Ersatz.

Wenige Wochen nach Eröffnung der Ausstellung in Kassel am 10.06.2017 brachte das KUNSTFORUM eine Doppelausgabe (248/249) zur d14 heraus, die mit über 1000 Abbildungen und zahlreichen Texten auf rund 600 Seiten u. a. als „unverzichtbare Orientierungshilfe“[2] beschrieben wurde. Als inoffizieller Katalog, der sich selbst als „traditionell“ (Seite 2 der Ausgabe) bezeichnet, wurde diese dann auch in den letzten Wochen der d14 jedem Besucher empfohlen, der sich nach einer Orientierungsmöglichkeit erkundigte. So bot sie nicht nur eine den Besuchern willkommene Alternative zum theorielastigen Reader und dem fragmentarisch gehaltenen daybook, sondern stellt auch und gerade deshalb eine geeignete Grundlage zu einer sprachlichen Analyse des d14-Diskurses dar. Neben Gesprächen und Interviews mit Künstlern, zahlreich illustrierten Beschreibungen vieler Kunstwerke und einem Portrait Adam Szymczyks enthält der Doppelband auch Essays und ein Gespräch mit der griechischen Kulturministerin Lydía Koniórdou. Die d14-Ausgabe des KUNSTFORUMs nimmt für sich in Anspruch, die aktuelle documenta „dokumentiert […], hinterfragt und erforscht“[3] zu haben. Basierend auf diesen Texten zur d14 konnten wir ein umfangreiches Korpus[4] behandeln, das Aussagen darüber zu treffen vermag, inwiefern die Wahrnehmung und Rezeption des inoffiziellen Kataloges die noch laufende Ausstellung geprägt hat.

Um die Menge der Texte besser untersuchen zu können, haben wir den Buchrücken eines Katalog-Exemplars aufgetrennt und alle Seiten eingescannt. Die entstandenen Digitalisate wurden dann u. a. auf wiederkehrende sprachliche Muster, Stigma- und Hochwertwörter sowie implizit und explizit formulierte Definitionen der documenta allgemein und der d14 im Speziellen hin untersucht. Aus den Ergebnissen konnten wir die obenstehende Prezi zusammenstellen, die veranschaulicht, wie der documenta-Diskurs im KUNSTFORUM ausgerichtet ist.

Als Grundlage wird in der Prezi das Korpus vorgestellt und eine Begründung gegeben, weshalb wir das KUNSTFORUM als Analyse-Basis verwendet haben. Einleitend wird erklärt, wie die Zitatbelege in der Präsentation zu finden sind. Erst dann wird der inhaltliche Teil der Analyse beleuchtet. Nach einer Zusammenstellung von Definitionsansätzen unter dem Thema „Die documenta ist …“, die alle der documenta zugeschriebenen Eigenschaften und (Teil-)Synonyme auflistet, werden kontrastierend die explizit der d14 zugeschriebenen Begriffe präsentiert („Die d14 ist …“). Diese Gegenüberstellung verdeutlicht die Vielseitigkeit der documenta als wiederkehrender Ausstellung und der d14 als aktuellster Ausgabe. Ebenso wird eine außergewöhnliche, vom KUNSTFORUM-Diskurs geprägte Definitionsmöglichkeit angeboten. Ergänzend dazu findet sich eine weitere Begriffssammlung unter „Die d14 hat …“, wobei hier diejenigen Zitate zu finden sind, die im KUNSTFORUM der d14 als Besitz, Umstand, Bestandteile etc. zugeschrieben werden. Auch hier treffen Aussagen aufeinander, die sich teilweise zu widersprechen scheinen, aber erneut ein vielschichtiges Bild der d14 vermitteln, das die Vielzahl ihrer Teilaspekte in den Blick nimmt.

Da der d14 im gesamten Korpus vieles zugeschrieben wird, erscheint unter „Die d14 als Akteur …“ eine beispielhafte Zusammenstellung von acht Zitaten, die der Ausstellung Handlungen oder Tätigkeiten zuweisen. Indem die d14 als handelnde Instanz dargestellt wird, wird ihr eine gewisse Eigenständigkeit und Unkontrollierbarkeit zugestanden, die es möglich macht, die Ausstellung als eigenwilliges, wandelbares Wesen zu begreifen, das nicht von Kuratoren passiv geformt wird, sondern (sich) selbst aktiv bestimmt. Im Korpus kommt es wiederholt zu Zuschreibungen dieser Art, die aufzeigen, dass die documenta weniger als statische Ausstellung, sondern als lebendiger Komplex wahrgenommen wird.

Da dieser Ausstellungskomplex sich verändert, gibt es auch immer wechselnde, prägende Themen. Diese sind durch sprachliche Analysen bspw. dadurch erkennbar, dass gewisse Schlagworte auffallend häufig wiederholt – oder aber bewusst vermieden werden. In unserer Arbeit konnten wir einige dieser Schlagworte herausfiltern, und nach einer Untersuchung der Verwendungskontexte und Zitat-Einbettungen war es uns möglich, eine Auswahl der wichtigsten prägenden Begriffe des KUNSTFORUM-Diskurses zusammenzustellen. Diese Auswahl befindet sich unter dem Titel „Schlagworte“ und spiegelt die zentralen Themen wider, die im inoffiziellen Katalog zu finden sind. Erneut haben wir acht repräsentative Beispiele herausgesucht, uns alle Zitate angesehen, in denen diese Begriffe verwendet werden, um dann eine Zusammenfassung dessen wiederzugeben, wie und zu welchem Zweck die Begriffe Verwendung finden. Dieser abschließende Überblick ermöglicht eine kompakte Darstellung der Ergebnisse unserer Diskursanalyse.

  1. Der selbsternannte ‚Kunstmittler‘ Hajo Schiff aus Hamburg kritisiert: „Alle Macht den Besuchern zu geben ist eine schöne Geste, aber keine Lösung für die Aufgabe, eine Großausstellung zu bestücken. Vor der Demokratisierung der Rezeption muss erst einmal eine zu rezipierende Setzung stehen. Sonst löst sich im Anstreben der Vollständigkeit das behaupte Alles in Beliebigkeit auf.“ (Schiff, 72).
  2. [https://kunstforum.de/inhaltsverzeichnis.aspx?band=248; letzter Zugriff am 23.01.2018].
  3. KUNSTFORUM, 2.
  4. Ein Korpus bezeichnet eine Menge an Texten, die zur sprachlichen Analyse untersucht wird, in diesem Fall die 248./249. Ausgabe der Zeitschrift KUNSTFORUM.

(Text, Analyse und grafische Aufbereitung: Christine Goldhofer und Hanna Poloschek)